Lüftungsanlagen und COVID-19 – wo liegen die Gefahren?

In Zusammenhang mit Ausbrüchen von Corona-Infektionen insbesondere in Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben sind in letzter Zeit auch Lüftungsanlagen in die Diskussion geraten: Tragen sie zur Verbesserung der Raumluft bei oder sind sie sogar ein Risiko? Ist die Lüftungsanlage in meinem Haus oder im Büro etwa ein Gesundheitsrisiko?

Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten, da es verschiedene Typen von Lüftungsanlagen gibt, die stark unterschiedliche technische Eigenschaften haben. Wir halten es für zweckdienlich, einmal aus fachlich-technischer Sicht eine Einschätzung zu geben und damit zur Versachlichung der Diskussion über die Lüftungstechnik beizutragen.

Ein wichtiger Aspekt der Lüftungstechnik ist der Umluftanteil; bei Anlagen mit Umluftanteil ist von einem Gefährdungspotential auszugehen; bei reinen Frischluftanlagen mit separaten Luftströmen kann man im Gegenteil eher von einer Verbesserung der Raumluft auch in Hinblick auf Viren ausgehen.

Lüftungsanlagen mit Wärmeübertragern

Lüftungsanlagen haben in der Regel die Aufgabe, verbrauchte Raumluft durch frische Außenluft zu ersetzen. Heutzutage werden dazu meistens Geräte mit einer Wärmerückgewinnung durch Plattenwärmeübertrager (rekuperativ) eingesetzt. Dabei wird die Wärme von der Abluft zur Zuluft übertragen, ohne dass die beiden Luftströme direkten Kontakt haben.

Das gleiche gilt für Kreislaufverbundsysteme, bei denen ein Flüssigkeitskreislauf die Wärmeübertragung übernimmt.

Diese Art von Lüftungsanlagen, die häufig in Wohnhäusern eingesetzt wird, ist durch die Trennung der Luftströme als unbedenklich in Bezug auf die Verbreitung von Keimen einzuschätzen.

Rotationswärmetauscher (Regenerativ) hingegen funktionieren anders: ein Wärmespeicher wird hier abwechselnd von der Abluft und der Zuluft durchströmt. Zum einen haben solche Wärmeübertrager eine Leckrate. Das heißt, dass sich ein geringer Prozentsatz der Abluft auf die Zuluftseite strömen kann. Zum anderen besteht die theoretische Möglichkeit, dass durch den Wärmetauscher Stoffe von der Abluft zur Zuluft übertragen werden. Die übertragenen Mengen sind hierbei aber eher gering. Eine Gefahr hinsichtlich einer Verbreitung von Keimen ist vermutlich niedrig, aber nicht ganz auszuschließen.

Lüftungsanlagen mit Umluftanteil

Anders zu betrachten sind Lüftungsanlagen mit einem Umluftanteil. Diese werden eingesetzt, wenn zusätzlich zum Austausch der Luft noch eine Heiz- oder Kühlfunktion gewünscht ist. Eingesetzt werden solche Anlagen nicht nur wegen Kostenaspekten, sondern auch wenn z.B. kein Platz für die Aufstellung fester Heizflächen vorhanden ist. Das betrifft z. B. Verkaufsflächen oder auch Sporthallen. Hier sind die für den Wärmetransport erforderlichen Luftmengen in der Regel deutlich höher als der hygienisch erforderliche Außenluftanteil. Deshalb werden diese Anlagen mit Umluft betrieben. Das heißt, dass ein Teil der Abluft erwärmt bzw. gekühlt und dann dem Raum als Zuluft wieder zugeführt wird. Dieser Umluft wird auch ein Anteil Außenluft zugeführt, um eine Abfuhr von Schadstoffen zu erreichen, jedoch ist diese Beimengung unterschiedlich hoch.

In derartigen Anlagen sind in der Regel keine Filter verbaut, die in der Lage wären Viren zurückzuhalten. Somit ist theoretisch ein Verbreitungsrisiko technisch gegeben. Grundsätzlich lässt sich dieses Risiko jedoch minimieren, wenn beim Betrieb der Anlagen folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • der Umluftanteil sollte so gering wie technisch möglich eingestellt werden
  • Einsatz von feineren Filtern
  • Einsatz von UV-Lampen zum Abtöten von Keimen

Der erste Punkt ist dabei am einfachsten zu realisieren. Jedoch kann man den Außenluftanteil nur erhöhen, wenn die Heiz- oder Kühlfunktion dadurch nicht beeinträchtigt wird. Während dies in einer Übergangszeit wie im Herbst noch funktionieren könnte, kann dies im Winter zu einer kalten Halle oder zu deutlich höheren Energieverbräuchen führen.

Luftkühler, Umluftheizer, Gebläse-Konvektoren und Split-Klimageräte

Zu guter Letzt betrachten wir noch Geräte, bei denen die Lüftungsfunktion sekundär bzw. nicht vorhanden ist, die jedoch eine relevante Verbreitung haben. Bei Luftkühlern, Umluftheizern, Gebläse-Konvektoren und Split-Klimageräten geht es primär um die Heiz- oder Kühlfunktion, wofür Raumluft angesaugt und von einem Ventilator durch ein Heiz- oder Kühlregister geführt wird. Auch diese Geräte haben häufig Filter verbaut, jedoch mit dem Ziel, das eingebaute Heiz- oder Kühlregister vor Verschmutzung zu schützen. Eine Filterung von Viren ist damit nicht möglich.

Diese Geräte wälzen erhebliche Luftmengen und damit auch ggf. Aerosole um, wodurch die Verbreitung von Viren durchaus möglich wäre. Ein erhöhtes Gefährdungspotential ist daher bei diesen Anlagentypen nicht auszuschließen.

Fazit

Lüftungsanlagen tragen durch den Austausch der verbrauchten Abluft durch Frischluft zur Reduzierung der Virenlast bei. Reine Frischluftanlagen mit Wärmeübertragern, wie Sie häufig im Wohnungsbau, Schulen oder Büros zum Einsatz kommen, sind höchstwahrscheinlich, bedingt durch die separaten Luftströme, als unbedenklich einzustufen.

Selbst bei Lüftungsanlagen mit Umluftanteil ist davon auszugehen, dass der positive Effekt der Verdünnung der Virenlast durch den Luftaustausch im Vergleich zum Nicht-Betrieb einer solchen Anlage überwiegt. Basierend auf dem aktuellen Stand der Ungewissheit empfehlen wir genauere Untersuchungen anzustellen.

Beitrag teilen